Forschungsprojekte
Underreporting von Arbeitszeiten in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
Um den für einen Prüfungsauftrag anfallenden Aufwand zu ermitteln und Zeitbudgets für zukünftige Prüfungen kalkulieren zu können, müssen Prüfungsmitarbeiter üblicherweise ihre Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem ihrer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angeben. Hierzu hat die bisherige Forschung dokumentiert, dass Prüfer unter bestimmten Umständen die Tendenz aufweisen, weniger als ihre tatsächlich für ein Prüffeld aufgewandte Arbeitszeit anzugeben. Dieses zunächst paradox erscheinende Verhalten wird mit dem Begriff „Underreporting von Arbeitszeiten“ bezeichnet und kann langfristig zu negativen Folgen im Hinblick auf die Qualität der Abschlussprüfung führen.
Wir untersuchen, ob Underreporting von Arbeitszeiten trotz aktueller Entwicklungen wie der wachsenden Herausforderung der Mitarbeitergewinnung und -bindung für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie einem Einstellungswandel unter Prüfern bezüglich der eigenen Work-Life-Balance weiterhin eine verbreitete Praxis darstellt, und welche Anreize und Bedingungen im Arbeitsumfeld von Prüfern diese in ihrer Entscheidung über die Angabe ihrer Arbeitszeiten beeinflussen, um Möglichkeiten und Grenzen korrekter Arbeitszeitangaben zu identifizieren.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka, M.Sc. Swaantje Schulz
Prüferhaftung und Prüfungsqualität
In Deutschland können Wirtschaftsprüfer bei Fehlern in der Jahresabschlussprüfung haftbar gemacht werden, wenn sie bspw. nicht hinreichend sorgfältig geprüft haben und einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk trotz wesentlicher Fehler im Jahresabschluss vergeben. Haftung soll neben anderen Instrumenten zur Qualitätssicherung des Berufstands einen Anreiz für eine hohe Prüfungsqualität schaffen, um die Stabilität der Finanzmärkte zu sichern. Das im Jahr 2021 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) hat unter anderem die seit langem bestehende Haftungsbegrenzung für Wirtschaftsprüfer deutlich angehoben. Diese Maßnahme stieß auf Kritik, da sie möglicherweise unerwünschte und schädliche Folgen nach sich ziehen könnte. Demgegenüber bleibt unklar, ob die Gesetzesänderung tatsächlich den angestrebten Effekt einer gesteigerten (wahrgenommenen) Prüfungsqualität erzielen wird, und welche Auswirkungen die Haftungserhöhung tatsächlich auf das Prüferverhalten haben. Mit Hilfe einer empirischen, einer modelltheoretischen Analyse und eines Experiments sollen diese Fragestellungen untersucht werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka, M.Sc. Christopher Woddow
Overconfidence in der Wirtschaftsprüfung
Mit der Überprüfung des vom Unternehmen veröffentlichten Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer soll die Qualität der Rechnungslegung sichergestellt werden. Eine hohe Prüfungsqualität ist notwendig, damit die Jahresabschlussadressaten verlässliche Informationen für ihre Entscheidungen erhalten. Die Prüfungsqualität hängt insbesondere vom Wirtschaftsprüfer ab. Er muss während des Prüfungsprozesses Entscheidungen treffen, die durch psychologische Effekte beeinflusst sein können. Overconfidence ist solch ein Effekt, bei dem die Individuen zur Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten neigen. Nach aktuellem Forschungsstand ist unklar, inwieweit sich diese Fehleinschätzung des Wirtschaftsprüfers auf die Prüfungsqualität auswirkt. Bei der Beantwortung dieser Fragestellung wird vorwiegend analytisch und verbal-analytisch vorgegangen.
Des Weiteren interagieren Wirtschaftsprüfer während des Prüfungsprozesses unter anderem mit den Managern des zu prüfenden Unternehmens. Overconfidence führt bei der Erstellung des Jahresabschlusses zu einer Verschlechterung der Rechnungslegungsqualität, da beispielsweise die Bilanzmanipulationswahrscheinlichkeit des Managers steigt. Es stellt sich die Frage, inwieweit die beiden Akteure die Overconfidence des jeweils anderen einschätzen können und welchen Einfluss die daraus resultierenden Entscheidungen auf die Prüfungsqualität haben. Zur Analyse der Interaktion zwischen (overconfidenten) Wirtschaftsprüfern und (overconfidenten) Managern bietet sich ein Experimentalaufbau an.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka, M.Sc. Henry Walde
Whistleblowing als Instrument der Qualitätssicherung und des Risikomanagements in der Wirtschaftsprüfung
Der Umgang mit Hinweisen von Whistleblowern als Teil der internen Überwachungssysteme spielt im Zuge der Abschlussprüfung eine wichtige Rolle, wie auch der Fall Wirecard verdeutlicht. Die Bedeutung der Hinweise von HinweisgeberInnen für die Aufdeckung von Fraud erstreckt sich jedoch nicht nur auf die Meldung von Missständen in den zu prüfenden Unternehmen, sondern auch auf solche in der Wirtschaftsprüfung selbst.
In diesem Projekt betrachten wir einerseits, welche Interaktionen zwischen der Wirtschaftsprüfung und Whistleblowern in Unternehmen existieren und welche Auswirkungen Hinweisgebersysteme auf die Abschlussprüfung haben. Andererseits untersuchen wir die Rolle und das Potential von Whistleblowing durch Wirtschaftsprüfer*innen und Hinweisgebersystemen innerhalb von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Unseren Forschungsfragen widmen wir uns empirisch sowie analytisch.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka, M.Sc. LL.M.oec. Sebastian Oelrich und RA/WP Wolfgang Otte
Eine kritische Analyse der Effizienz und Akzeptanz von Whistleblowing im Zuge der Corporate Governance
Whistleblowing wird im Zuge zahlloser Skandale der letzten Jahrzehnte international immer stärker als essentielles Werkzeug der Corporate Governance verstanden. In Deutschland hingegen wird es zum Teil als “Denunziantentum” eher verhalten angenommen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen europäischen Diskussion über regulative Neuerungen betrachten wir das Thema aus verhaltensökonomischen, wirtschaftspsychologischen aber auch anwendungsorientierten Perspektiven. Hierbei steht die Fragestellung nach der effizienten und effektiven Ausgestaltung sowie der größtmöglichen Akzeptanz von Hinweisgabesystemen in Unternehmungen und der Wirtschaftsprüfung im Fokus. Dies beantworten wir mit Hilfe empirischer und formal analytischer Modellierungen.
Bereits veröffentliche Publikationen innerhalb dieses Projekts finden Sie hier
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka und M.Sc. LL.M.oec. Sebastian Oelrich
Unternehmensberichterstattung zu COVID-19
In diesem Jahr sehen sich Unternehmen weltweit durch die anhaltende Corona-Pandemie mit beispiellosen Herausforderungen konfrontiert. Die Publizität dieser Unternehmen, im Sinne der Veröffentlichung von unternehmensbezogenen Daten im Rahmen der Unternehmensberichterstattung, ist in den Entscheidungsprozessen der verschiedenen Stakeholder von großer Bedeutung.
In diesem Projekt betrachten wir einerseits, wie Unternehmen in ihrer Berichterstattung auf die anhaltenden Herausforderungen reagieren und wie sie diese kommunizieren. Andererseits soll untersucht werden, wie die Adressaten der Unternehmenspublizität auf diese Informationen reagieren. Im Vordergrund stehen dabei die qualitativen Bestandteile der Berichterstattung, die auch unter verhaltensökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka, M.Sc. Paule Weinreich
Die betriebliche Altersversorgung und deren Einfluss auf das Entscheidungsverhalten des Managements
Der demografische Wandel und deren Auswirkungen auf die umlagefinanzierte Rentenversicherung ist eines der zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ermöglicht hierbei die eigenverantwortliche und kapitalgedeckte Absicherung des Altersruhestandsniveaus in Kooperation mit dem Arbeitgeber. Mit der verbindlichen Anwendung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) rückt zusehends die Bilanzierung der Direktzusage, als nach Deckungsmitteln bedeutendster Durchführungsweg, in das Blickfeld der Unternehmen. Eine Vielzahl an Wahlrechten und Ermessensspielräumen ermöglichen dem Management gezielt Bilanzpolitik zu betreiben. Insbesondere die Erwartungshaltung über künftige Rechnungsgrundlagen und die Möglichkeit nach Art 67 Abs. 1 EGHGB, den ergebnismindernden Einmaleffekt im Zuge der BilMoG Umstellung über 15 Jahre zu verteilen, ermöglichen eine Analyse und Interpretation des gewählten Bilanzierungsverhaltens. Vor diesem Hintergrund sollen u.a. nachfolgende Fragestellungen theoretisch und auch empirisch untersucht werden: Wovon hängt die Entscheidung über den Durchführungsweg der bAV ab? Welche Ziele verfolgt das Management mit der Bilanzierung der Direktzusage und welchen Einfluss hat dies auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss? Welche unternehmensspezifischen Faktoren beeinflussen die Ausübung von Wahlrechten und Ermessensspielräumen bei der Direktzusage?
Schlagwort: betriebliche Alterversorge
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka und M.Sc. Toni Krüger
Effiziente Kombination von Wertschätzern für eine akkurate Bewertung
Für die Wertbestimmung von Unternehmen und zur Bilanzierung von Vermögensgegenständen haben sich unterschiedliche Bewertungsgrundlagen etabliert, die das International Accounting Standards Board (IASB) im Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen auflistet. Dazu zählen die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, der Tageswert, der Veräußerungswert sowie der Barwert. Die Bestimmung von Vermögensgegenstandswerten erfolgt oftmals durch den beizulegenden Zeitwert (Fair Value), dem in der aktuellen Bilanzierungspraxis eine immer größere Bedeutung zukommt. Mit der Einführung des IFRS 13 durch den IASB wurde daher ein einheitlicher Standard zur Bestimmung des Fair Value von Vermögensgegenständen geschaffen. Neben Marktpreisen und Diskontierungsmodellen kann zur Bestimmung des Fair Value auch auf vergleichende Bewertungsmethoden zurückgegriffen werden. Als vergleichende Methode auf Basis eines markorientierten Ansatzes setzt sich das Multiplikatorverfahren in der Praxis immer mehr als unterstützende Bewertungsmethode oder Hauptbewertungsmethode bei Anfangs- und Folgebewertungen durch. Eine Frage in diesem Zusammenhang nachgegangen ist, inwieweit das Multiplikatorverfahren und andere Bewertungsmethoden Unternehmens- und Investorenentscheidungen beeinflussen. Auch gilt es zu beantworten, welche aktuelle Rolle marktorientierte Bewertungsansätze bei Investoren und Vermögensberatern spielen. Verschiedene Bewertungsmethoden liefern zum Beispiel verschiedene prognostizierte Preise von Unternehmensanteilen. Diese Prognosen differieren in aller Regel von (zukünftigen) Börsenpreisen des bewerteten Underlying. Eine Kombination von verschiedenen Bewertungsmethoden kann unter Umständen die relative Abweichung zu diesen Börsenpreisen verringern und zu genaueren Schätzwerten führen. Die Suche geeigneter Bewertungsheuristiken soll zunächst theoretisch fundiert und dann durch eine empirische Analyse getestet werden.
Schlagwort: Accounting
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka und M.Sc. Sven Wegner
Die Rolle von Versicherungen für die Corporate Governance von Unternehmen
Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen für Unternehmensorgane (D&O-Versicherungen) haben, ausgehend von den USA, in Deutschland in den letzten Jahren eine zunehmende Verbreitung gefunden. Sie werden von Unternehmen zugunsten ihrer Organe für Schäden abgeschlossen, die aufgrund unwissentlicher Pflichtverletzungen entstehen. Grundlegende Bestandteile des Versicherungsvertrages sind die Deckungssumme, Haftungsausschlüsse, die Versicherungsprämie und ein eventueller Selbstbehalt. Solche von Unternehmen abgeschlossene Versicherungen entfalten verschiedene ökonomische Anreize für Entscheidungsträger, die im Rahmen der Corporate Governance beachtet werden sollten. So kann eine Haftungsbegrenzung der Unternehmensorgane etwa zu einer höheren Risikobereitschaft bei betrieblichen Entscheidungen führen. Der deutsche Gesetzgeber sah sich in diesem Zusammenhang zu einer stärkeren Reglementierung von D&O-Versicherung veranlasst. Er führte, einer Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex folgend, im Jahr 2009 mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandvergütung (VorstAG) einen verpflichtenden Selbstbehalt bei D&O-Policen ein. International findet diese Regulierung keine Entsprechung, allerdings wurden in einigen Ländern (z.B. Kanada) Publizitätspflichten bezüglich von Details des Versicherungsvertrages eingeführt. Vor diesem Hintergrund sollen folgende Fragestellungen analysiert werden: Welche Anreize gehen von D&O-Versicherungen aus? Nutzt eine D&O-Police eher dem Unternehmen oder seinen Organen? Welche Vorgaben sollte der Staat für solche Versicherungsverträge machen? Sind die jüngsten Gesetzesänderungen zum Selbstbehalt diesbezüglich angemessen? Welche Erkenntnisse lassen sich empirisch und modelltheoretisch ableiten?
Schlagwörter: Corporate Governance, Organhaftung, Prinzipal-Agenten-Theorie, Versicherung, ökonomische Anreize
Ansprechpartner: Prof. Dr. Anne Chwolka und Dipl.-Kfm. Danny Behrendt